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Junge Homosexuelle und Schwulenmörder - ein gemeinsames Schicksal?
Die immer aktuellen Probleme junger Homosexueller und die Beschäftigung mit Zeitungsberichten über Morde an Schwulen in den 60er bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts haben mich für diesen Zusammenhang sensibilisiert! In jenen Jahren waren Jugendliche und Erwachsene die Täter an anderen Erwachsenen… In den USA hat sich offenbar das Alter eines Teils, der Täter und der Opfer nach unten auf die Schulstufen verschoben! Das hat gar nichts mit dem so viel beschworenen "Jugendschutz" zu tun, aber sehr viel mit der sich immer mehr verjüngenden sexuellen Identität und Orientierung von Kindern und Jugendlichen. Die körperliche Entwicklung hat sich beschleunigt, aber noch immer ist "Jugendschutz" – auch vor Information – das zentrale Anliegen. Im Bereich der Prostitution soll er wieder auf 18 Jahre gedrückt werden. Die biologische Entwicklung klafft also immer mehr zur psychischen Anforderung in der Gesellschaft auseinander.
Hetero Mann und hetera Frau wollen in penetranter und vaginanter Weise verhindern, dass ihre Nachkommen sich einer sexuellen Minderheit anschliessen. Doch Familie und Gesellschaft durchdringen die Minderheiten immer mehr. Und die homosexuelle Aktivität unter der Mehrheit ist stark angestiegen. Ich glaube heute, dass die Homosexuellen bei den homosexuellen Aktivitäten in der Gesellschaft schon längst selber zur Minderheit "verkommen" sind. Bis zu einem Drittel machen die hetero- und bisexuellen User auf gay Kontaktplattformen aus! Die Minderheit mag in Prozenten seit Kinsey (1948) etwa gleich geblieben sein, während die homosexuellen Aktivitäten logischerweise - auch dank der Internetkontakte - seit langem schon enorm zugenommen haben.
Wer daran zweifelt, sollte sich zum Beispiel darüber klar werden, dass die ganze Porno-Produktion von homosexuellen Darstellungen schon immer, und im Internet noch mehr, nicht ohne wesentliche Beteiligung von heterosexuellen Männern zustande gebracht werden kann – auch ohne Viagra! So viele verklemmte Schwule für Sex-Szenen wären gar nicht zu bekommen! Was junge Homosexuelle und Schwulenmörder wohl gemeinsam haben, sind die individuelle
Bestürzung und die gesellschaftliche Hilflosigkeit in ihrer Situation.
Erst möchte ich eine Untersuchung von Susanne Wenzel aus dem Jahr 1990* zitieren und daraus die
Probleme junger Homosexueller referieren. Ich habe Burschen, und die Mädchen zum Vergleich der
Zahlen, herausgezogen. Mich interessieren aber vor allem die jungen Männer. Die gesellschaftliche
Situation von Mädchen ist eine völlig andere! (Von Frauen und Lesben zu erforschen!)
"In allen BRAVO-Jahrgängen von 1968 - 1987 wurden insgesamt30 Leserbriefe von Jungen und26 von Mädchen zum Thema Homosexualität veröffentlicht.
Das entspricht bei den Jungen einem Anteil von 5 %, bei den Mädchen einem Anteil von lediglich 2 %. Das höhere Interesse der Jungen an diesen Fragen zeigt sich auch bei der Verteilung der Zuschriften innerhalb des sozialen Bereichs. Während bei den Jungenzuschriften mit sozialen Problemen rund 12 % von Homosexualität handeln, liegt dieser Anteil bei den Mädchen nur bei 4 %.
Betrachtet man die Briefe von Jungen zu diesem Thema, so fällt auf, dass aus ihnen eine grosse Angst spricht, selbst homosexuell zu sein. Die Jungen stellen mit Bestürzung und voll Hilflosigkeit fest, dass sie sich mehr zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen, als zu Mädchen, dass sie Mädchen sogar widerlich finden, von Männern dagegen sexuell erregt werden (16 Nennungen von 30 Leserbriefen). Diese Gefühle verunsichern die Jungen. Sie möchten wissen, was sie dagegen tun können, da sie nicht homosexuell sein wollen." Ich glaube, dass wir heute vorsichtiger sein sollten mit der Zuschreibung von "homosexuell" oder "schwul". Keiner muss schwul sein, um mit Männern Sex zu haben, Frauen tun es auch - und sind nicht schwul!Aber die Jungs und Männer erobern sich wieder die Homosexualität als integraler Bestandteil der allgemeinen "Heterosexualität". In den 60er Jahren war "die homosexuelle Phase" in der Kindheit und Jugend bei Psychologen anerkannt und akzeptiert. So ganz ausschliesslich hetero war die Welt nie! Die hetero Jungs - und später auch die Männer ab 45 Jahren (Beobachtung auf den gay Plattformen) - merken, dass der Sex mit dem eigenen Geschlecht eine ganz andere und auch wichtige Qualität für sie hat! (Darüber an anderer Stelle mehr.) Susanne Wenzel bietet eine Auswahl an Briefzitaten: "Seit 2 Jahren weiss ich (17, m), dass ich mich zu meinem eigenen Geschlecht hingezogen fühle. Ich spiele mit dem Gedanken, mich umzubringen" (Jg. 1968, Nr. 26, S. 2) Ich (15, m) habe festgestellt, dass es mich mehr zu Jungen hin zieht. Gerade habe ich mich richtig in einen Klassenkameraden verliebt. Mädchen werden mir mehr und mehr widerlich. Was kann ich dagegen tun? (1973/6/2) Ich (19, m) fühle mich zu anderen Männern körperlich hingezogen. Alles in mir sträubt sich dagegen, homosexuell zu sein. Was soll ich tun? (1983/8/5) Ich (15, m) glaube, ich bin homosexuell. Wenn sich meine Klassenkameraden nach den Sportstunden duschen, bekomme ich jedesmal ein steifes Glied. (1987/42/1) Noch bedrückender empfinden die Jungen ihre Situation, wenn es schon zu sexuellen Kontakten mit anderen Jungen bekommen ist (8 Nennungen von 30 LBr). Sie leiden dann unter zwiespältigen Gefühlen. Auf der einen Seite geniessen sie das sexuelle Zusammensein mit ihrem Freund und suchen es immer wieder, auf der anderen Seite schämen sie sich deswegen und möchten davon los kommen, da sie ja nicht homosexuell sein wollen. Zu sexuellen Kontakten kommt es nach der Schilderung der Jungen, wenn sie mit ihrem Partner allein in ihrem Zimmer oder in einem Duschraum sind.
Als wir es machten, hat es mir (16, m) Spass gemacht. Aber jetzt, hinterher, habe ich so ein ekelhaftes Gefühl. Ich schäme mich deswegen, obwohl es mir Spass gemacht hat 1983/1/4) Sobald wir allein sind (15, m), suchen wir den körperlichen Kontakt zueinander. Wir haben auch schon Petting getrieben und uns hinterher ungeheuerlich geschämt. Bitte helfen Sie uns schnell (1983/14/3).
Wenn ich (14, m) mit meinem Freund allein in meinem Zimmer hocke, dann macht er meine Hosen auf und streichelt mein Glied. Mich durchfährt dann immer ein wohliges Gefühl. Innerlich wehre ich mich dagegen (1983734/3).
Wenn ich (13, m) allein zu Hause bin, dann kommt mein Freund zu mir, dann befriedigen wir uns gegenseitig auf dem Bett. Was kann ich tun, damit ich mich wieder für Mädchen interessiere? (1987/2/6) Obwohl sich die Jungen innerlich dagegen wehren, homosexuell zu sein, kann es zu Konflikten kommen, wenn sie ein Mädchen kennenlernen, jedoch nicht von den sexuellen Kontakten mit einem anderen Jungen loskommen. Sie wollen weder die Freundschaft zu dem Jungen, noch zu dem Mädchen aufgeben, wissen aber nicht, für wen sie sich entscheiden sollen (6 N von 30LBr) Ich (16, m) will weder die Freundschaft zu dem Mädchen, noch zu meinem Freund aufgeben. Was soll ich tun? (1985/9/3) Nun habe ich (16, m) aber seit einem Monat eine Freundin, die ich sehr liebe. Sie weiss von all dem nichts. Mit Thorsten bin ich nach wie vor befreundet. Was soll ich tun? (1987//27/6) Vor ähnlichen Problemen schreiben auch die Mädchen in ihren Briefen. Wie die Jungen erschrecken sie vor ihren Gefühlen, wenn sie merken, dass sie sich mehr zu Frauen hingezogen fühlen, sich in ein anderes Mädchen verliebt haben. Auch sie wehren sich dagegen, homosexuell zu sein und fragen verzweifelt, was sie gegen ihre Neigung tun können (10 N von 26 LBr).
(Ich übergehe die einzelnen Mädchenzitate, die ich im "come out" Nr. 28, 1990 aufgeführt hatte) Ein junger Homosexueller hat drei Möglichkeiten, sich das Leben einzurichten. Er verinnerlicht die Aggressionen gegen den ihm entsprechenden homosexuellen Lebensstil und bringt sich selbst um.
Er nimmt teil am Aggressionsfluss der Gesellschaft gegen die Schwulen und bringt diese um.
Oder er richtet seine Aggressionen gegen die diskriminierenden Heterosexuellen (und bringt niemanden um), indem er SEINEN homosexuellen Lebensstil entwickelt und dafür eintritt: coming out! Damit hat er die Chance der Solidarität mit Anderen.
Meine Forderungen gehen in Richtung Integration der verbreiteten homosexuellen Bedürfnisse in die Gesamtpersönlichkeit der Heterosexuellen. In solchen Menschen können sich dann Schwule teilweise wiederfinden, um die eigene Identität aufzubauen („schwuler Vater“). Und die Heterosexuellen müssten sich nicht so "verführt" fühlen, wenn sie homosexuellen Gefühlen ausgesetzt sind, denn dann empfinden die Schwulen ja auch "wie normal", nur im homosexuellen Bereich viel intensiver.
Hier möchte ich noch folgende wichtigen Punkte nachtragen: Sexualität kann sich mit allem möglichen verbinden, selbst mit toten Objekten. Es liegt an der Gesellschaft, durch allgemeines Gespräch, das Individuum nicht zu isolieren, sondern es "zu begleiten" – in den sozialen Zusammenhang zu setzen.
Genitale Reaktionen hängen in der Kindheit nicht von Personen ab, sondern hauptsächlich vom vegetativen Nervensystem. (So wie Frau Holle jeden Morgen das Kissen ausschüttelt) Doch das wird nicht vermittelt. Die gesellschaftlich Verantwortlichen tendieren dazu, das sexuelle Vergnügen der Kinder zu negieren und es für die Erwachsenen vorzubehalten. Daher ist es wichtig, "politisch korrekte" Ansichten endlich den gesellschaftlichen Realitäten anzupassen, statt die Jungs "schützend" allein zu lassen.
Die Kraft der Sexualbedürfnisse ist ebenso stark zur hier individuellen Selbstentwicklung/ -vernichtung, wie die Kernspaltung zur Energiequelle/Massenvernichtung. So wie uns gesagt wird, dass die Wahrscheinlichkeit eines Reaktorunfalls gering ist, so versucht man/frau uns weiszumachen, dass die verinnerlichte Kraft gegen die homosexuelle Verführung stark genug für die Heterosexualisierung sei (1). Jene, die anti-homosexuelle Kräfte überwinden oder unterlaufen, sollen "krank" sein. Und die Erfahrungen der Jugendlichen mit sich selbst und anderen sollen unglaubwürdig sein!? Es hat Spass gemacht - ein wohliges Gefühl - finde ich toll - wie kann frau die Angst verlieren? (bei den Mädchen) - fühlen sich vom gleichgeschlechtlichen Partner verstanden - gefällt es uns - solche Gefühle hatte ich bisher noch nicht.
Diese spontanen und natürlichen Erfahrungen werden in der Konfrontation mit der gesellschaftlichen Unwirtlichkeit und der gesellschaftspolitischen "Unwirklichkeit" überflutet mit negativen Eindrücken. Sie kommen alle "hinterher" und füllen das grosse, "nicht vorhanden sein" aus. Und die immer wiederkehrende Frage schreit uns entgegen: Was tun? Das erlebte ist unfassbar, un(be)greifbar und unbeschreiblich. Wird totgeschwiegen. Ein Zwiespalt, der - politisch korrekt - unaufgelöst bleiben soll.
Die "Betroffenen" sind erst 13, 15 und 16 Jahre alt, also in einer Entwicklung, wo sie sich angeblich noch gar nicht mit solchen Sachen auseinandersetzen können. Die vielbeschworene Natur kennt aber keine Altersgrenzen, sie legt die Probleme vor, individuell bei jedem, wenn sie die Zeit für gekommen hält. Vergessen sind heute die traditionellen Männerhäuser unserer Vorfahren. Frauenhäuser gibt es wieder, aber mit anderen Zielsetzungen… Eltern, Lehrer, Politiker, Richter und Polizisten glauben an die Beherrschbarkeit des Menschen (die Befrauschbarkeit bleibt unbeachtet, ist aber wirksam!), der Jugendlichen und der Sexualität. Mit der gleichen Inbrunst, mit der sie an die Atomkraftwerke glauben und all die Hochsicherheitsanlagen, glauben sie an Jugendschutz und Strafen. Und tatsächlich greifen all diejenigen Jungen, Burschen und Männer, die die Kraft für ihr Selbst nicht aufbringen können, zu all denjenigen männlichen Waffen, die alljährlich eine Unzahl von hier männlichen Opfern fordern. Im Focus ist immer nur der „sexuelle Missbrauch“ – aber oft ist eigentlich die Homosexualität der Missbrauch. (Ein Jugendlicher sagte mir mal beiläufig, er hätte gar nicht gewusst, dass Erwachsene auch zärtlich sein könnten.) Es ist das "ekelhafte" Gefühl hinterher, die Kraft, "die sich in mir dagegen sträubt", die "Angst vor verwirrenden Gefühlen", das "sich nicht vorstellen können", sich "schmutzig vorkommen". Sie verfolgen junge Männer ein Leben lang, von einer Diskriminierung zur anderen, von einem Schwulenwitz zum nächsten, bis zu einer, von bestimmten Umständen herbeigeführten "schicksalshaften" Begegnung. Hinterher sind immer alle "betroffen".
In der Konfrontation steigen diese Ängste plötzlich auf und trüben das Bewusstsein. Menschen, die ihre Sexualität normalerweise vor Jugendlichen verdecken lösen sie aus. Auch homosexuelle Jugendliche untereinander! Eine mörderische Aggression, die vielleicht schon seit Jahren aufgestaut wurde entlädt sich. In den Gerichtssälen fragen dann die Staatsanwälte immer wieder nach dem was man heute das "gay panic syndrom" (2) nennt. Die RichterInnen sind hin- und hergerissen zwischen dem Unverständnis für die Wünsche des toten Opfers und dem Mitleid und der Abscheu für das unbegreifliche Wüten eines ganz normalen jungen Mannes. Es ist eigentlich wie beim Sexismus und beim Rassismus. Die Parallelen sind greifbar.
Verantwortlich sind wir als Familie und Gesellschaft. Ob dann die "Abschlachtungen" heimlich, an Individuen erfolgen, oder in der Öffentlichkeit, auch an Minderheitengruppen, ändert nichts an dieser Verantwortung.
Peter Thommen, Schwulenaktivist, 62, in "come out" Nr. 28, 1990, überarbeitete Fassung vom
Dezember 2012

* Wenzel, Susanne: Sexuelle Fragen und Probleme Jugendlicher, Studien zur Sexualpädagogik, Bd. 6, Peter Lang, Bern 1990 (1) „Wenn sich die Annahme von Männlichkeit und Weiblichkeit durch Erreichen einer immer fragil bleibenden Hetero-sexualität vollzieht, dann lässt sich verstehen, wie die Kraft dieser Leistung auch dahin wirkt, dass homosexuelle Hoff-nungen aufgegeben werden, oder vielleicht schärfer, dass die Möglichkeit homosexueller Bindungen verhindert wird, ein Ausschluss, der allererst eine Homosexualität hervorbringt, die dann als unlebbare Leidenschaft und als nicht zu betrau-ernder Verlust verstanden wird. Diese Heterosexualität kommt nicht durch das Inzestverbot zustande, sondern zuvor schon durch die Durchsetzung eines Verbotes der Homosexualität. Der ödipale Konflikt setzt voraus, dass das heterosexu-elle Begehren bereits ausgebildet ist, dass die Unterscheidung zwischen heterosexuell und homosexuell (eine Unterschei-dung, der letztlich keine Notwendigkeit zukommt) bereits durchgesetzt ist; so gesehen setzt das Inzestverbot das Homose-xualitätsverbot voraus, denn es geht von der Heterosexualisierung des Begehrens aus.“ (Judith Butler, Die Psyche der Macht, S. 127f) (2) Wenn Schwule – vom Kind bis zum Erwachsenen – die heterosexuell begründete Angst vor sich selber und den Ande-ren – mit ihrer homosexuellen Orientierung durchbrechen, dann entsteht in der heterosexuellen Umgebung das sogenann-te „gay panic syndrom“. Es wird als „Anmache, Belästigung oder Bedrängung“ empfunden, wenn Homosexuelle offen mit ihrer Sexualität umgehen. Diese Panik kann zu Mobbing, Gewalt oder sogar zur Tötung des Schwulen führen. Die Schuld trägt dann das „provozierende“ Opfer selber.
Das gay-panic-syndrom besagt auch, dass der Mörder eines Schwulen mildernde Umstände bekommt, wenn er glaubhaft machen kann, er sei von seinem Opfer sexuell „belästigt“ oder angemacht worden. Dabei spielt das schon unter Kindern eine wichtige Rolle.

Source: http://swissgay.info/wp-content/uploads/2013/01/Th-ju-HS-und-Schwulenm%C3%B6rder.pdf

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