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Prof. Caspary
Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Frankfurt
Colitis ulcerosa
engl.: ulcerative colitis Definition: Chronische, mit UIzerationen einhergehende Entzündung der Mukosa oder Submukosa des Kolons oder Rektums. Der Befall ist bei der Colitis ulcerosa im Unterschied zum Befall bei Morbus Crohn in aller Regel kontinuierlich und vom Rektum ausgehend. Epidemiologie: Die Inzidenz der Colitis ulcerosa liegt zwischen 3-7:100.000 Einwohner mit einem Altersgipfel zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr. Die Prävalenz liegt zwischen 37-79 pro 100.000 Einwohner. Deutliches Nord > Südgefälle. Rauchen schützt vor einer Colitis ulcerosa Epidemiologie chronisch entzündlicher Darmkrankheiten (CED)
Nördliche Länder > südliche Länder
Chromosom 3, 7, 12 (Colitis ulcerosa und M. Crohn)
Ätiologie und Pathogenese: Die genaue Ursache der Colitis ulcerosa ist unbekannt. Es besteht eine eindeutige familiäre Häufung. Es wird eine genetische Bereitschaft zur Erkrankung diskutiert, wobei Faktoren wie Viren, Bakterien, Ernährung und Immunreaktionen die Erkrankung möglicherweise auslösen können. Der akute Schub einer CED ist durch einen Einstrom von neutrophilenGranulozyten und Monozyten aus dem peripheren Blut gekennzeichnet. Es findet eine hochgradige immunologi- sche Aktivierung von intestinalen Granulozyten, Makrophagen und T- sowie B-Lymphozyten statt. Eine Permeabilitätssteigerung des intestinalen Epithels geht der klinischen Schub- symptomatik voraus und könnte der Wegbereiter einer bakteriellen Invasion durch das Epithel sein. Der spezifische Eintritt („homing“) von Entzündungszellen in entzündliche Läsionen wird durch die Interaktion von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen und Immunozyten vermittelt. Eine gesteigerte Produktion entzündungsfördernderZytokine (TNFα, IL-1ß, IL-6, IL-8, IL- 12) lässt sich nicht nur in entzündeter, sondern auch in normaler Mukosa beobachten. Die chronische Entzündung wird durch eine Imbalance zwischen pro- und kontra-entzündlichen Mediatoren unterhalten („Zytokinschaukel“). Die Transkription der meisten Entzündungsgene
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kann durch den Transkriptionsfaktor NFκB reguliert werden. Eine erhöhte Aktivierung von NFκB ist in der L. propria bei Patienten mit M. Crohn zu beobachten. Multiple Faktoren sind für den Ausbruch einer CED notwendig: 1. Genetische Disposition, 2. Gestörte Immunregulation der Mukosa 3. Störungen der Barrierenfunktion 4. Exogene Faktoren (z.B. eigene Bakterienflora). Genetische Faktoren beeinflussen die Immunregulation und die Barrierenfunktion, die sich aber auch gegenseitig beeinflussen können. Antigene (normale intestinale Flora oder ein gemeinsames infektiöses Agens) lösen die Entzündungsreaktion aus. Der Verlust der Toleranz gegenüber normaler Darmflora ist für die Fortdauer der Entzündung verantwortlich. Pathologie: Die Entzündungsreaktion breitet sich bei der Colitis ulcerosa meist kontinuier- lich vom Rektum nach proximal in das Kolon aus, kann das gesamte Kolon (Pankolitis), das distale Kolon (Linsseitenkolitis), oder das Rektum (Proktitis) betreffen. Die entzündliche Infiltration betrifft hauptsächlich die Mukosa, seltener die Submukosa und geht mit kleinen Kryptenabszessen oder oberflächlichen Ulzerationen einher. Makroskopisch stehen ein Ödem, eine gefäßreiche Infiltration, Ulzerationen, sowie Narbenbildungen mit Verkürzung und Stenosierung chronisch erkrankter Darmabschnitte im Vordergrund. Typisch ist das Auftreten von Pseudopolypen, die ein charakteristisches Zeichen einer längerbeste- henden Erkrankung sind. Symptomatik: Die Colitis ulcerosa beginnt oft schleichend mit Durchfall und blutig- schleimigen Stuhlbeimengungen, kann jedoch auch subakut oder akut verlaufen. Die klini- schen Symptome sind von der Schwere und der Ausdehnung der Erkrankung abhängig. In leichteren Fällen, insbesondere bei alleinigem Befall des Rektums, stehen häufige kleinvolu- mige schmerzhafte Stuhlentleerungen (Tenesmen) mit Schleim- und Blutbeimengungen im Vordergrund. . Bei ausgedehntem Kolonbefall treten wässrig-schleimig-blutige Durchfälle mit Darmte- nesmen auf. Die Stuhlfrequenz kann bis zu 30 Entleerungen/Tag betragen. Die abdominellen Beschwerden lassen häufig nach der Defäkation nach. Unspezifische Symptome sind: Fieber, Anorexie, Gewichtsverlust. Extraintestinale Manifestationen können wie beim M. Crohn bestehen. Extraintestinale Manifestationen: - Augen:
Monarthritis, Oligoarthritis, Spondylitis enteropathica
primär sklerosierende Cholangitis und andere Leberveränderungen
Komplikationen der Colitis ulcerosa sind: - ausgeprägte
fulminante Kolitis (Tachykardie, Fieber)
toxisches Megakolon (Erweiterung des Kolons >6 cm, verdickte Darmwand,
Der Verlauf ist nicht vorhersehbar. Man unterscheidet zwischen einer leichten, mittelschwe- ren und fulminant-toxischen Form. Es kann zu kurz- oder langfristigen Remissionen, zum Übergang in eine chronische Form oder zu einem erneuten akuten Schub kommen. Die fulmi- nant-toxische Verlaufsform ist durch eine große Zahl an blutig-schleimigen Durchfällen, hohes Fieber mit septischem Krankheitsbild, Anämie, Dehydratation, Hypoproteinämie, Hypokaliämie, Distension und Druckschmerzhaftigkeit des Abdomens gekennzeichnet. Es kann sich eine Dilatation des Kolons mit hoher Perforationsgefahr entwickeln ('toxisches Megakolon'). Diese Patienten sind sehr gefährdet (septischer Schock).
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Diagnose: neben der oft typischen Anamnese erlauben Koloskopie und Röntgen die Diagnose. Bei der Rektoskopie/Koloskopie findet sich in leichten Fällen eine geschwollene, hyperämische, bei Berührung leicht blutende Schleimhaut von samtartigem Aussehen. Bei schwerem Verlauf ist die Schleimhaut hämorrhagisch infiltriert mit unregelmäßig konfluie- renden Ulzerationen. Bei chronischem Verlauf sind Verengungen und Verkürzungen eines starren und röhrenförmigen Dickdarmes mit Pseudopolypen zu finden. Frühsymptome bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Colitis ulcerosa
Labordiagnostik: erhöhte BSG, Leukozytose, Thrombozytose, hypochrome Anämie, Hypo- proteinämie und Hypokaliämie sowie CRP-Erhöhung. Differentialdiagnose chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) Colitis ulcerosa Klinisch: - Sigmoido-/Koloskopie: - Röntgen: - Pathologie: - Tiefe des Befalls Differentialdiagnose: Als wichtigste Differentialdiagnose kommt ein M. Crohn des Dick- darms in Betracht, der häufig schwierig abzugrenzen ist. Differentialdiagnostische Unter- scheidungsmerkmale zwischen Colitis ulcerosa und M. Crohn des Kolons sind in der folgen- den Tabelle: Als weitere Differentialdiagnosen kommen in Betracht: - virale, bakterielle und parasitäre Kolitiden (Salmonellen, Shigellen, Amöben),
antibiotikainduzierte pseudomembranöse Enterokolitis, die nach Antibiotikabe- handlung auftreten kann, und durch Toxine von Clostridium difficile hervorgerufen wird. Der Nachweis des Toxins oder des Keimes im Stuhl sichert die Diagnose. Die
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Rektoskopie oder Koloskopie zeigt oft ein typisches Erscheinungsbild mit weißlichen membranösen Schleimauflagerungen. Die Therapie der Wahl besteht in der oralen Gabe von Metronidazol (z.B. Clont 400 3x400 mg) oder Vancomycin (z.B. Vancomycin Lilly Enterocaps 4x250 mg/Tag).
- ischämische Kolitis ist durch eine arterielle Minderperfusion (A. mesenterica inferior)
verschiedenster Ursachen bedingt. Der größte Teil der Patienten ist über 50 Jahre. Die Hauptlokalisation ist die 'Wasserscheide' zwischen A. mesenterica superior und inferior (linke Kolonflexur) und zwischen A. mesenterica inferior und A. iliaca interna (Rektosigmoid). Die Ischämie führt zunächst zu entzündlicher Infiltration der Darmwand und dann zu Ulzerationen. Die Ausheilung erfolgt narbig mit Stenosenbil- dung. Bauchschmerzen, rektale Blutungen, lokale oder diffuse Peritonitis mit Abwehr- spannung, fehlenden Darmgeräuschen und Erbrechen sind charakteristisch. Die Diagnose der ischämischen Colitis wird durch Koloskopie (bei fehlender Perito- nitis), Kontrasteinlauf und Mesenterikographie gestellt. Die Behandlung kann kon- servativ unter intensiver Beobachtung erfolgen, bei Verschlechterung ist die Operation mit Entfernung des ischämischen Darmabschnittes angezeigt. Therapie der Colitis ulcerosa Aktivität linksseitige Pankolitis Therapie: Die Therapie ist abhängig vom Schweregrad und der Ausdehnung der Erkrankung. Die Therapie leichter oder mittlerer Aktivität der Colitis ulcerosa besteht in der oralen Gabe von Salazosulfapyridin (SASP, 3-4 g/Tag) oder 5-Aminosalicylsäure (5-ASA, 2-3 g/Tag). Die zusätzliche Gabe von Steroiden richtet sich nach dem Schweregrad. Da die Erkrankung häufig nur im Rektum und linksseitigen Kolon lokalisiert ist, hat sich die lokale Applikation von SASP, 5-ASA oder auch Hydrocortison/Dexamethason per Klysma bewährt. Bei schweren Schüben ist die orale oder parenterale Steroidapplikation erforderlich. Medikamente: -
Salazosulfapyridin (SASP) (z.B. Azulfidine, Colo-Pleon); galenisches Wirkprinzip: im Kolon wird durch Bakterien aus SASP die wirksame Komponente 5-Aminosalicyl-säure freigesetzt, die Sulfonamidkomponente des SASP-Moleküls ist für die Neben-wirkungen verantwortlich.
5-Aminosalicylsäure = Mesalazin (5-ASA) (z. B. Salofalk, Claversal, Asacolithin, Pentasa, Dipentum); 5-ASA wird im Dünndarm resorbiert. Damit 5-ASA überhaupt in den Dickdarm gelangt wird die Wirksubstanz mit Eudralgit (Salofalk, Claversal, Asacolitin) oder Äthylzellulose (Pentasa) überzogen, die sich nach der Darmpassage im unteren Ileum und Kolon auflöst und 5-ASA freisetzt. Dipentum ist eine inerte Schleppersubstanz, die im Kolon 2 Moleküle 5-ASA freisetzt.
zur rektalen Therapie werden Suppositorien mit 5-ASA (z.B. Salofalk 500 mg) oder Steroidschäume (z.B. Colifoam Rektalschaum) besser vertragen als Klysmen (z.B. Salofalk Klysmen, Betnesol). Budesonid (Entocort rektal als rektale Instillation anstatt Betnesol möglich (geringere Nebenwirkungen dieses Steroids).
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parenterale oder enterale künstliche Ernährung und besondere Diätformen sind nicht wirksam, gelegentlich aber zur Verbesserung des Ernährungszustands sinnvoll.
Bei schweren Schüben ist die Hypalbuminämie durch Gabe von Humanalbumin, die An- ämie durch Transfusionen zu behandeln. Eine Antibiotikabehandlung kann bei schwerem toxischen Verlauf erforderlich werden. Therapie der fulminanten Kolitis und des toxischen Megakolons: - maximale konservative Therapie: Nahrungskarenz, parenterale Ernährung, 100 mg
Prednisolon/Tag für 5 Tage, bei toxischem Megakolon für 2-3 Tage.
internistisch-chirurgisches Konsil.
bei Befundsverschlechterung oder fehlender Rückbildung der Symptomatik nach 5
bzw. 3 Tagen ist die Operation indiziert: subtotale Kolektomie mit endständiger
Ileostomie, Blindverschluss des Rektumstumpfes; sekundär ileoanaler Pouch oder
Die Colitis ulcerosa neigt zu Rezidiven, so dass nach Abklingen des akuten Schubes eine Rezidivprophylaxe (2-3 g SASP oder 1.5-3 g 5-ASA) sinnvoll erscheint. Nach langem Verlauf - 8-10 Jahre bei Pankolitis, 12-15 Jahren nach Linsseitenkolitis - besteht bei der Colitis ulcerosa ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom. Eine effektive konservative Therapie scheint dieses Risiko zu senken. Deshalb sollten Patienten mit längerem Verlauf einer Colitis ulcerosa nachuntersucht werden. . Screening auf kolorektales Karzinom bei Patienten mit Colitis ulcerosa - WHO- Empfehlungen 1995 Pankolitis oder Befall bis zur rechten Flexur nach 8 Jahren oder
Linksseitenkolitis nach 12-15 Jahren alle 1-2 Jahre ---> totale Koloskopie
* Biopsien aus normaler Mukosa alle 10-12 cm entlang des Kolons
Multiple Biopsien aus veränderter Mukosa/umschriebenen Veränderungen
Wenn Dysplasie negativ oder 'indefinite', Kontrollkoloskopie nach 1-2 Jahren
'low grade' Dysplasie ---> Kontroll-Koloskopie nach 3-6 Monaten
makroskopischer Läsion mit darüberliegender 'low grade' Dysplasie
persistierender unifokaler 'low grade' Dysplasie
Bei schwer therapierbarer Colitis ulcerosa ist nach 8 Jahren Krankheitsdauer die Kolektomie
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Synonym: Enteritis regionalis (engl.: Crohn's disease, regional enteritis) Definition: Der Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Krankheit, die diskontinuier- lich segmental den gesamten Gastrointestinaltrakt befallen kann und meist mit granulo- matösen Veränderungen einhergeht. Sie wurde nach den Erstbeschreibern der Krankheit (Crohn, Ginzberg und Oppenheimer) benannt, die den Morbus Crohn im terminalen Ileum fanden (Ileitis regionalis). Epidemiologie: Der Morbus Crohn tritt weltweit bei unterschiedlichsten Rassen auf. Bei der jüdischen Bevölkerung ist die Erkrankung 2-3 mal häufiger als bei Nicht-Juden. Die jährliche Inzidenz beträgt 2-3:100.000 und nimmt in den letzten Jahren deutlich zu. An häufigsten tritt die Erkrankung zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr auf. Inzidenz mit Nord-Südgefälle, d.h. in Nordeuropa > Südeuropa. Raucher haben häufiger einen MC als Nichtraucher. Ätiologie und Pathogenese: Die Ursache der Krankheit ist noch unklar. Als mögliche ätiolo- gische Faktoren kommen in Betracht: familiäre Disposition, genetisch bedingte, infektiöse oder immunologische Ursache. HLA-W27 ist bei 75% der Patienten mit M. Crohn und begleitender ankylosierender Spondylitis positiv im Vergleich zu 8% bei der Normalbevölke- rung. In ähnlich hohem Prozentsatz kommt HLA-W27 bei Patienten mit M. Bechterew ohne M. Crohn vor. Sichere Beweise für eine bakterielle Genese fehlen. Für eine Immungenese mag das gute therapeutische Ansprechen auf Kortikoide und auch Azathioprin sowie die häu- fig eindrucksvolle Remission unter Nahrungskarenz (Allergenkarenz?) sprechen. Für eine Rolle der eigenen Bakterienflora spricht der Therapieerfolg mit Antibiotika sowie die Ausschaltung des Fäkalstroms nach Anlegen eines protektiven Ileostomas. Pathologie: Der Morbus Crohn kann den gesamten Verdauungstrakt befallen, also Ösopha- gus, Magen, Duodenum, Jejunum, Kolon, Rektum, Anus, ja sogar die Schleimhäute des Mundes. Am häufigsten ist er jedoch isoliert im terminalen Ileum (35%), im Kolon (30%) oder im Kolon und terminalen Ileum gleichzeitig lokalisiert (60%). Die Krankheit ist charakterisiert durch eine chronische Entzündungsreaktion, die alle Schichten der Darmwand, aber auch das Mesenterium und die benachbarten Lymphkno- ten oder Organe betrifft. Vor allem die akute Form betrifft meist das terminale Ileum und ist gekennzeichnet durch Hyperämie, Schwellung des Darmes, Mesenteriums und der Lymphknoten. Ähnlich kann die Yersiniose oder die Darmtuberkulose verlaufen (wichtige Differentialdiagnosen). In späteren Stadien nimmt die Dicke der Darmwand zu, erreicht eine starre, lederartige Konsistenz und kann zu Einengungen des Lumens führen. Fissurale tiefe Ulzerationen, die in die Submukosa und transmural reichen, können zu Abszessen und Fistelbidungen führen. Die Ausbreitung der Erkrankung im Dünn- und Dickdarm ist meist diskontinuierlich (sog. "skip lesions"). Häufig zeigt die Mukosa durch Pseudopolypenbil- dung ein sog. Pflastersteinrelief. MERKE: Typisch ist die Granulombildung, die in Bioptaten aber oft nur in 25-30% Symptomatik: Die unterschiedlichen Stadien sowie die zahlreichen möglichen Manifestatio- nen führen auch zu unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbildern.
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Lokalisation des Entzündungsprozesses, seine Ausdehnung, Aktivität, und seine Beziehung zu den Nachbarorganen bedingen also die Symptome. Typischerweise beginnt der M. Crohn beim jungen Erwachsenen mit Müdigkeit, Gewichts- verlust, Schmerzen im rechten Unterbauch und Durchfällen (meist ohne Blut). Fieber, Anore- xie, Übelkeit und Erbrechen können ebenfalls bestehen. Nicht selten manifestiert sich die Erkrankung auch ohne Durchfälle. MERKE: Der Morbus Crohn darf aufgrund dieser Symptomatik nicht mit Appendizitis verwechselt
Ein mechanischer Ileus kann als Erstmanifestation ebenso auftreten wie Fistelbildungen im Perianalbereich, Harnwegsinfekte durch enterovesikale Fistelbildungen, rechtsseitige Ureterabflussstörungen mit Hydronephrose durch die entzündliche Reaktion im rechten Un- terbauch. Häufig besteht ein Malabsorptionssyndrom Diagnostik: Bei der körperlichen Untersuchung besteht eine Schmerzempfindlichkeit im rechten Unterbauch und es lässt sich oft eine walzenförmige Resistenz tasten. Bei der Auskultation des Abdomens lassen sich Hinweise für das Vorliegen eines Ileus erfassen: Pressstrahlgeräusche und "klingende" Darmgeräusche bei mechanischem Ileus. Die erste wegweisende diagnostische Information gibt die Sonographie, mit der Darmwandverdickun- gen, Stenosen, prästenotische Darmdilatation, wie auch Abszesse und Fisteln häufig erkenn- bar sind. Da die Hauptlokalisation das terminale Ileum ist (in 80% mitbeteiligt), sollte grund- sätzlich eine Kolo-Ileoskopie als nächste diagnostische Maßnahme erfolgen. Makroskopi- scher Befund und klinische Symptomatik sind diagnoseweisend. Zeigt die Kolo-Ileoskopie keine Veränderungen im Kolon und terminalen Ileum, sollte sich eine Enteroklysman. Sellink (Röntgendarstellung des Dünndarms mit Applikation verdünnten Bariumkontrastmit- tels direkt in den Dünndarm) erfolgen. MERKE: Zur Festlegung der Ausdehnung der Krankheit sind Kolo-Ileoskopie, Gastrosduodenoskopie, Enteroklysma und Sonographie erforderlich!
Aus den befallenen Arealen des Darms sind multiple Biopsien zu entnehmen, um den wich- tigen Granulomnachweis zu führen. Labordiagnostik: ist unspezifisch, reflektiert aber das Ausmaß der Entzündung: BSG-Be- schleunigung, Leukozytose, Anämie, Thrombozytose, Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP), Erhöhung der Alpha1- und Alpha2-Globuline in der Elektrophorese. Zeichen der
Mangelsymptome infolge der gestörten Darmfunktion sind: Anämie, erniedrigte Serumkon-zentrationen von Vitamin B12, Folsäure, Kalzium, Magnesium, Kalium, Eisen, Ferritin, Zink,
Vitamin A und Vitamin D. Die Anämie ist mit häufig mit erhöhtem intestinalen Blutverlust, aber auch mit Vitamin B12- oder Folsäuremalabsorption zu erklären.
Der klinische Schweregrad wird nach sog. Aktivitätsindices bestimmt; am bekanntesten ist der CDAI (Crohns Disease Activity Index nach Best), der im wesentlichen subjektive und klinische Parameter umfasst: Komplikationen: sie lassen sich wie folgt einteilen: • Lokale Komplikationen des Entzündungsprozesses, oft unter Einbeziehung von Nachbarorganen
- toxisches Megakolon (selten, (Sub)ileus: Abdomenübersicht, Sonographie
- Perforation: Abdomenübersicht in Linksseitenlage, Sonographie
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Sonographie, Computertomographie, Kernspintomographie,
Extraintestinale Manifestationen:
Monarthritis, Oligoarthritis, Spondylitis enteropathica
primär sklerosierende Cholangitis und andere Leberveränderungen
Ein mechanischer Ileus ist eine häufige Komplikation und tritt bei ca. 20-30% der Patien- ten im Verlauf der Krankheit einmal auf. Im Initialstadium ist die Einengung des Dünn- darmsegments durch den entzündliche Prozess bedingt, in späteren Stadien durch fibröse Strikturen. Fisteln variabelster Lokalisation sind häufige Komplikationen des M. Crohn: kutan, enteroenterisch, enterovesical, enterovaginal, perianal, rektal. Perforationen in die freie Bauchhöhle sind selten, da die Umgebung des Darmes meist stark verwachsen sind. Blutab- gänge mit den Stuhl treten bei alleinigem Dünndarmbefall selten auf und lassen an einen gleichzeitigen Befall des Kolons oder Rektums denken. Unklares Fieber und unklarer Gewichtsverlust lassen auch an ein Malignom denken. Extraintestinale Manifestationen des M. Crohn sind ähnlich wie bei der Colitis ulcerosa Kap. 4.2): Erythema nodosum, Iridozyklitis, Trommelschlegefinger, Pericholangitis, Arthritis und ankylosierende Spondylitis. Die Gelenkbeschwerden können der Krankheit lange vor- ausgehen. Das Malignomrisiko ist nicht sicher erhöht. Weitere Komplikationen: durch erhöhten enteralen Gallensäurenverlust mit Verkleine- rung des Gallensäurenpools ist das Risiko der Gallensteinbildung um den Faktor 5 erhöht. Zugleich haben Patienten mit M. Crohn erheblich häufiger Nierensteine. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Oxalatsteine, die durch eine enterale Hyperoxalurie hervorge- rufen werden. Der Patient mit M. Crohn - insbesondere bei Bestehen eines Gallensäurenver- lustsyndroms - resorbiert Oxalsäure übermäßig. Standardtherapie Einzige gesicherte Therapie des aktiven M. Crohn ist die Gabe von Steroiden. -
Prednisolon (z.B. Decortin H), beginnend mit 60 mg/Tag, absteigend über 6 Wochen auf 10 mg/Tag oder
6-Methylprednisolon (z.B. Urbason) beginnend mit 48 mg/Tag, absteigend über 6 Wochen auf 8 mg/Tag
Indikation: im akuten Schub (CDAI > 150) bei alleinigem Ileumbefall. Nebenwirkungen: Diabetes, Hyperglykämien, insbesondere, wenn zusätzlich parenteral ernährt werden muss. -
Steroide plus Salazosulfapyridin (SASP) oder 5-Aminosalicylsäure (5-ASA)
Indikation: bei alleinigem Befall des Kolons oder bei Ileokolitis Crohn. Dosierung: Salazosulfapyridin (SASP) (z.B. Azulfidine, Colo-Pleon: 5-6 g/Tag; 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) (z.B. Salofalk 500, Claversal 4 g/Tag). Nebenwirkungen: SASP: Sulfonamidüberempfindlichkeit, Hautreaktionen, Blutbildverände- rungen (Leukopenie), 5-ASA: erhöhte Methämoglobinbildung, akute Pankreatitis, interstiti- elle Nephritis. MERKE: Therapie in der Schwangerschaft nicht ändern! Ausnahme: Azathioprin und Metronidazol! Überwachung intensivieren (alle 4 Wochen)! Parenterale oder enterale Ernährungstherapie: Bei erheblich reduziertem Allgemeinzustand und Unterernährung kann enterale pumpengesteuerte Sondenernährung mit einer chemisch definierten Diät ('Astronautenkost') die Remission beschleunigen. Bei drohender
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Ileussymptomatik oder bei sehr schwerem klinischen Verlauf ist eine parenterale hyperkalori- sche Ernährung erforderlich. Rezidivprophylaxe: nach akutem Schub zur Vermeidung von Frührezidiven: -
Prednisolon 10 mg/Tag über 3 Monate, danach
Prednisolon 10 mg/jeden 2. Tag über weitere 3 Monate insbesondere bei isoliertem Ileumbefall,
Budesonid (Budenofalk, Entocort) 9 mg/Tag = Steroid mit weniger Nebenwirkungen.
Der therapeutische Nutzen von 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) in der
Bei schweren und therapierefraktären Verläufen und zur Rezidivprophylaxe bei steroidabhängigem intermittierendem Verlauf - Azathioprin (z.B. Imurek, Azathioprin ratiopharm)
Indikation: bei Nichtansprechen der Standardtherapie, zum Einsparen der Steroide. Dosierung: 2-2,5 mg/kg KG/Tag. Nebenwirkungen/Kontraindikationen: Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Knochenmarksdepres-sion, Pankreatitis, intrahepatische Cholestase, allergische Reaktionen (sehr selten). -
Therapie enterokutaner Fisteln: - Metronidazol (z.B. Clont, Flagyl) 3x400 mg oral, Ansprechrate nach 6-8 Wochen 60%.
Nebenwirkungen/Kontraindikationen: Exanthem, Urtikaria, periphere Neuropathien,
Leukopenie, gastrointestinale Störungen (bitterer Geschmack, Übelkeit, Erbrechen, im 1. Trimenon der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert.
Antikörper gegen Tumornekrosefaktor-Alpha (TNF-Alpha): Infliximab (Remicade) mit bisher guten Erfolgen (aber sehr teuer!). Indikation: Nichtansprechen auf Standardtherapie, insbesondere wenn Fisteln und Abszesse vorliegen. Nebenwirkungen: Infektionen, insbesondere Tuberkulose! Deshalb vor Beginn der Therapie mit Infliximab Röntgenaufnahme des Thorax!
bei Versagen der konservativen Therapie über 3-6 Monate ist chirurgisches Vorgehen indiziert.
chirurgische Therapie bei Vorliegen von fixierten Stenosen oder sog. "high-
output"-Fisteln (> 500 ml Sekret/Tag).
Symptomatische Durchfallbehandlung: - Loperamid (z.B. Imodium) Dosierung: bis zu 4x mg/Tag Nebenwirkungen/Komplikationen: Vorsicht bei Ileussymptomatik, da Loperamid die Darmperistaltik unterdrückt. - Colestyramin (z.B. Quantalan, Colo-Merz) oder Colestipol (z.B. Cholestabyl) bei
Ileumbefall oder Zustand nach Ileumresektion. Dosierung: 3-4 x 4-5 g/Tag
Substitution bei Befall des terminalen Ileums oder nach Ileumresektion: - fettlösliche
Spurenelemente: Zink, Eisen, Magnesium, Calcium je nach Laboranalyse.
B12: 1000 µg alle 2-3 Monate, Serumspiegelkontrolle
Prävention der Oxalatsteinnephrolithiasis:
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1. Oxalatarme Diät. 2. Colestyramin (Quantalan Lipocol) 4x4 g/Tag oder Colestid. 3.Mittelkettige Triglyzeride (Ceres-Speiseöl, Ceres-Margarine) anstatt üblicher Nahrungsfette. 4. Orale Gabe von Kalzium oder aluminiumhydroxidhaltiger Antazida (z.B. Aludrox). Operative Therapie - dringliche Indikation bei Ileus, Perforation, intraabdominellem Abszess und toxi-
- elektiv bei symptomatischen Stenosen, Fisteln und Therapieresistenz. - operative Strategie: darmschonende Resektion, Strikturoplastik bei Stenosen.
Von einer Operation profitiert der Patient am ehesten, wenn rezidivierend Schübe mit Ileus bei Befall des terminalen Ileums auftreten.
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The Journal of Neuroscience, May 1, 1998, 18 (9):3138–3146 G-Protein-Coupled Modulation of Presynaptic Calcium Currents and Transmitter Release by a GABA Receptor Tomoyuki Takahashi, Yoshinao Kajikawa, and Tetsuhiro Tsujimoto Department of Neurophysiology, University of Tokyo Faculty of Medicine, Tokyo 113, Japan Presynaptic GABA receptors play a regulatory role in central(GDPS) abo