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Text: Kerstin Rosenberg & Dr. med. Ludwig Kronpaß Im Feuer der Transformation - die Wechseljahre aus ayurvedischer Sicht.
Aus ayurvedischer Sicht besteht unser Leben aus dem komplexen Zusammenspiel
unterschiedlicher Energien und Zyklen, die unsere Gesundheit auf der körperlichen und
psychischen Ebene prägen. Entsprechend unserer eigenen bio-energetischen Qualitäten
der Doshas (Funktionsprinzipien), Shrotas (Zirkulationskanäle) und Gunas (mentale
Qualitäten) antworten wir auf die Einflüsse unserer Umwelt auf individuelle und
konstitutionsgerechte Weise. Wir stehen in Kontakt mit der Natur und reagieren körperlich,
energetisch und emotional auf äußere und innere Veränderungen wie z.B. Jahreszeiten,
Mondphasen sowie Pubertät und Menopause.
Gerade die Menopause stellt einen umfassenden Wechsel dar, in dem sich ein großer
Wandel im Leben der Frau vollzieht. Durch die Senkung des spezifischen Hormonspiegels
und eine klimakterielle Dosha-Verschiebung verändert sich nicht nur der weibliche
Monatszyklus, sondern auch die gesamte Persönlichkeit und Erscheinung erhält neue,
bisher ungekannte Qualitäten. Bei jeder zweiten Frau unseres Kulturkreises wird dieser
Wandlungsprozess von Menopausenbeschwerden oder ernsthaften Erkrankungen begleitet.
Auch wenn Männer und Frauen aus ayurvedischer Sicht nicht dem Mars und der Venus
zugeordnet werden, so ist die unterschiedliche Natur der Geschlechter unbestritten.
Ayurveda beschreibt die Frau als ein Wesen, das feinstofflich mit Agni assoziiert wird, dem
Attribut des Feuers und der Energie. Durch die innere Kraft des Feuers ist die Frau mit der
Energie des Lebens (shakti) verbunden: Sie kann Leben empfangen, die Entwicklung eines
Kindes in ihrem Leib ermöglichen, Kinder gebären und ernähren. Körperlich hingegen ist der
weibliche Organismus stärker von Wasserdominanz geprägt, die sich durch kühle, stabile
und nährende Qualitäten in „typisch weiblichen“ Merkmalen wie runden, weichen
Körperformen, Mütterlichkeit und Ausdauer manifestiert.
Neben der monatlichen Menstruationsblutung dient auch der sexuelle Austausch zwischen
dem weiblichen Shakti-Feuer und den männlichen Reproduktionssäften (shiva), um die
Transformation von der inneren Hitze zur äußeren Kühle zu vollziehen. Während der
sexuellen Begegnung überträgt der Mann das Wasserelement durch die Samenflüssigkeit
an die Frau, wohingegen das weibliche Feuer an ihn übergeht. Infolgedessen verliert die
männliche Persönlichkeit an weicher, erdender Wirkung und wird vom Wesen her aktiv und
stark. Auf der anderen Seite verliert die weibliche Persönlichkeit die Intensität und Schärfe
des Feuerelements und transformiert sich zu einem weichen und sanften Wesen. In diesem
Sinne hat die intime Beziehung zwischen Mann und Frau nicht nur den Zweck der
geschlechtlichen Reproduktion, sondern dient der gegenseitigen Befruchtung und Erlösung
der polaren Energien.
In der Meno- und Andropause erfahren Mann und Frau grundlegende Veränderungen im
energetischen Zusammenspiel ihrer inneren und äußeren Kräfte. Die häufig mit Krisen
gekennzeichneten Wechseljahre, in denen Krankheiten, Beziehungsprobleme und
Selbstzweifel an der Tagesordnung sind, stellen eine umfassende Neuorientierung unserer
körperlichen, geistigen und seelischen Natur dar. In dieser hormonell verankerten
Transformation verbirgt sich ein großes Potenzial für die spirituelle Entwicklung und
persönliche Selbstentfaltung. Nutzen wir dieses Potenzial, so erleben wir die Wechseljahre
als Erlösung von materiell geprägter Verantwortung und Verstrickung. Sind wir hingegen im
Alten verhaftet – wie es in unserer von Hormontherapie und Schönheitsoperationen
geprägten Gesellschaft meist üblich ist – so stört dies nicht nur die ganzheitlich spirituelle
Entwicklung der Frau, sondern fördert auch körperliche Erkrankungen.

Körperliche und psychische Veränderungen im weiblichen Gleichgewicht

Die ayurvedische Medizin betrachtet jeden Menschen entsprechend seiner individuellen
Konstitution. Unsere natürlichen Ausprägungen von Vata, Pitta und Kapha manifestieren
sich u.a. in unserem Aussehen, der Verdauung und konstitutions-typischen Charakterzügen
und Verhaltensweisen. Aber auch unsere „weiblichen“ Qualitäten wie Menstruationsblutung,
Empfängsnisbereitschaft und Libido haben entsprechend unserer individuellen Konstitution
unterschiedliche Ausdrucksformen. So reagieren wir auch alle unterschiedlich auf die
Veränderungen in den Wechseljahren.
Und doch gibt es sehr interessante Gemeinsamkeiten der weiblichen Entwicklung, die sich
in der Betrachtung der drei großen Lebensphasen zeigen, auch wenn sich darin körperliche
und geistige Kräfte in unterschiedlicher Ausprägung manifestieren. Als Wechseljahre
bezeichnen wir den Lebensabschnitt der Frau, wenn sie von der zweiten, mittleren
Lebensphase in die dritte, letzte Lebensphase wechselt. Unsere zweite Phase umfasst den
aktiven Lebensabschnitt von 20–45 Jahren. Hier ist im Leben einer Frau die „Pitta“-Qualität
besonders stark betont.
Der feurige Pitta-Dosha ist die körperliche Manifestation der energetischen Shakti-Energie
und schenkt uns Leistungsfähigkeit, Durchsetzungskraft und Fruchtbarkeit. Wenn wir das
Leben einer Frau in diesem Alter betrachten, so ist es von viel Arbeit und
Durchhaltevermögen geprägt: Kinder, Beruf, Mann, soziale Verpflichtungen – alles will
erledigt werden, alles muss versorgt werden. Um die täglichen Herausforderungen des
Alltags zu meistern, benötigt die Frau ihre ganze Pitta-Kraft. Die monatliche
Menstruationsblutung dient der Reinigung des weiblichen Organismus und gleicht die
feurigen Kräfte (pitta und agni) aus.
Wird unser weibliches Gleichgewicht gestört, so entstehen pitta-verursachte
Hauterkrankungen, Entzündlichkeiten, Migräne, Reizbarkeit und Aggressionen. Auch die
anderen Doshas – Vata und Kapha – werden in Mitleidenschaft gezogen. Besonders häufig
ist eine Kombination aus Vata- und Pitta-Störungen, wobei der erhöhte Vata nun noch
Erschöpfung, Immunschwäche, Hormonschwankungen und Erkrankungen des
Bewegungsapparats hervorbringt. Viele typische Frauenleiden wie Osteoporose,
Menstruationsschmerzen oder Sterilität werden durch einen gestörten Vata-Dosha
ausgelöst. Dies zeigt uns, dass viele Frauen bereits in der Pitta-Phase unter zuviel Vata
leiden!
Das ist fatal, wenn wir uns die Qualität der dritten Lebensphase anschauen, die durch die
Wechseljahre – in der Regel ab dem 50. Lebensjahr – eingeleitet wird. Hier herrscht Vata-
Dosha vor: Die aktiven Pitta-Kräfte werden von der luftigen und ätherischen Qualität des
Vatas abgelöst, womit sich die Lebensausrichtung von der körperlichen Präsenz in die
geistige Dimension verlagert. Mit Hilfe der Hitzewallungen verbrennen wir überschüssige
Pitta-Anteile und der Körper gewinnt eine neue Empfindsamkeit und Reife.
Durch die Wechseljahre öffnet sich der weiblichen Natur eine neue, spirituelle Dimension
und die intuitiven, heilerischen und geistigen Fähigkeiten werden gestärkt. Starten wir jedoch
mit einem Vata-Pitta-Ungleichgewicht in diesen Wandlungsprozess, so sind die allseits
bekannten Wechseljahrserkrankungen vorprogrammiert. Denn unabhängig vom
Konstitutionstyp wird der Alterungsprozess vom Vata begleitet, was mit einer erhöhten
Krankheitsanfälligkeit und starkem Energieverlust einhergeht.
Das Ziel der ayurvedischen Gynäkologie ist es nun, das harmonische Gleichgewicht von
Vata und Pitta zu stabilisieren, so dass der energetische und körperliche Kräfteaustausch
ohne Beschwerden von statten gehen kann.
Wechseljahrsbeschwerden ayurvedisch verstehen und behandeln
Da fast die Hälfte aller Frauen während des Klimakteriums unter psychischen und
physischen Befindlichkeitsstörungen leidet, erfährt die Lebensqualität von vielen erhebliche
Beeinträchtigungen. Depressive Verstimmungen, Gereiztheit, Nervosität, Schmerzen im
Bauchraum, in den Brüsten, Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen sowie
Blutungsstörungen aller Art versetzen uns in einen Ausnahmezustand, der häufig schwer mit
den vielfältigen Anforderungen eines aktiven Familien- und Berufslebens zu vereinbaren ist.
In der Regel stellt der ärztliche Hinweis, es handele sich um eine „normale“
Übergangsphase im Leben der Frau, keine wirklich hilfreiche Unterstützung bei der
Verarbeitung der genannten Probleme dar. Auch die Schulmedizin stellt der Betroffenen nur
eine recht schmale Palette von Optionen zur Verfügung: die Hormontherapie, in den letzten
Jahren erheblich in die Diskussion geraten wegen einer Häufung von Brustkrebsfällen und
Gefäßverschluss-Erkrankungen, sowie chirurgische Eingriffe wie Ausschabung und
Gebärmutterentfernung. Eine echte kausale Behandlung, welche die Frau nicht potenziell
gefährdet, hat unsere westliche Medizin somit kaum zu bieten.
Hier nun kann die Ayurveda-Medizin wirkungsvoll und vor allem nebenwirkungsfrei die
Schulmedizin ergänzen oder sogar ersetzen: Wie bereits beschrieben führt die
kontinuierliche Abgabe von Energie und Hitze zu einer kompensatorischen „Befeuchtung“
des weiblichen Körpers und Geistes. Körperlicher Ausdruck dieser Energieabfuhr ist unter
anderem die Menstruation. In den Wechseljahren beginnt nun dieses Ventil langsam zu
versiegen. Gerade Frauen mit ausgeprägter Pitta-Konstitution, also Menschen mit einem
feurig-energetischen Lebenskonzept, leiden in der Folge vermehrt an dem beschriebenen
Anstau von Hitze in ihrem Körper.
Um den typischen Erkrankungen der Menopause vorzubeugen oder entgegenzuwirken,
werden ayurvedische Therapien eingesetzt, die der Senkung und Dämpfung von Pitta
dienen, ohne dabei durch Provokation des Vata-Prinzips – Bewegung, Wind, Haltlosigkeit –
weitere Probleme der Frau in der zweiten Lebenshälfte zu generieren. Sinnvoll ist es, wenn
Frauen ab dem 40. Lebensjahr ihren emotionalen und körperlichen Zustand sehr genau
beobachten und frühzeitig auf die auftretenden Schwankungen reagieren.
Alle vata-erhöhenden Verhaltensformen und Speisen, wie übermäßiger Stress und Reisen, eine unregelmäßige Lebensweise, Fast-Food und Rohkost, sollten gemieden werden. Auch der Genuss von Kaffee, Alkohol, schwarzem Tee und Tabak verschlimmert die Beschwerden der Menopause. Besonders gut sind alle kühlenden Nahrungsmittel wie Melone, Gurke und Gewürze wie Koriander, Kreuzkümmel, Zimt und Safran, das Tragen von Schmuck aus Perlen, Korallen und Mondstein sowie mental wirksame Strategien des Yoga und der Meditation. Ebenso stellt die ayurvedische Massagetherapie mit ihren vielfältigen psycho-physischen Effekten eine nicht zu unterschätzende Komponente der Behandlung dar. Insbesondere kühlende medizinierte Öle wie Kshirabala-Thaila kommen dabei zur Anwendung. Regelmäßige Entschlackungsmaßnahmen führen ebenfalls zur Stabilisierung der körperlichen Konstitution. Im Ayurveda besteht die Vorstellung, dass durch die Menstruationsblutung ein regelmäßiger Reinigungsprozess stattfindet. In der Menopause kommt es nun durch dessen Ausfall zu vermehrter Ansammlung von Ama (toxische Stoffwechselansammlungen). Um das angesammelte Ama und die damit verbundenen Symptome abzubauen, wird empfohlen, statt der Menstruationsblutung regelmäßige Reinigungskuren in Form von Fasten- und Abführtagen einzulegen. Zusätzlich steht dem engagierten Ayurveda-Therapeuten auch eine Fülle von pflanzlichen Präparaten zur Verfügung, mit deren Hilfe ein ausgewogenes, ganzheitliches Therapiekonzept für alle Arten von Problemen im Rahmen des Klimakteriums durchgeführt werden kann: Bei verstärkten oder zu lange anhaltenden Blutungen kann durch kühlende, zusammenziehende und blutstillende Drogen eine rasche Besserung erzielt werden. Amalaki (Emblica officinalis oder Amla-Beere), Nagakeshara (Mesua ferrea oder Eisenholz) und vor allem Ashoka (Saraca indica oder Jonesia Ashok) bilden hierbei eine wirkungsvolle medikamentöse Basis. Bei sehr unregelmäßigen oder schwachen und schmerzhaften Blutungen dagegen kann eine fermentierte flüssige Zubereitung von Aloe vera namens Kumari-Asava hilfreich sein. Generell und beinahe bei allen Problemsituationen in den Wechseljahren bietet sich der Wurzelstock des Indischen Spargels, Shatavari, an, welcher durch seinen Gehalt an hormonartigen Substanzen den Mangel ohne unerwünschte Begleitfolgen beseitigen kann. Das psychisch-mentale Ungleichgewicht in dieser Übergangsphase im Leben einer Frau kann ebenfalls durch hochwirksame Pflanzen aus der indischen Medizin harmonisiert werden, um der Frau die gezielte Hinwendung zu neuen erfüllenden Aufgabenfeldern in emotionaler Ausgeglichenheit zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang spielen Brahmi und – bei eher depressiv geprägten Frauen – Jatamansi eine führende Rolle im Spektrum der ganzheitlichen Bewältigung dieser Phase. Unabhängig von den individuellen Symptomen und Krankheitsbildern werden im Ayurveda die verjüngenden Rasayana-Therapien empfohlen, um durch ihre vitalisierende Wirkung unspezifische und spezifische Wechseljahrsbeschwerden auszugleichen. Neben den klassischen diätetischen, phyto- und manualtherapeutischen Maßnahmen werden auch „moderne“ Anti-Aging-Therapien wie die Verabreichung von Antioxidanten und spirituelle Therapien wie das Tragen von astrologischen Armreifen oder Edelsteinen empfohlen. Die ganzheitlichen Therapieansätze des Ayurveda ermöglichen wirkungsvolle Hilfe und Unterstützung für Frauen in einer Lebensphase, welche mit einer Fülle von Problemen und Symptomen vergesellschaftet ist, ohne eine echte Krankheit im Sinne der Schulmedizin zu sein. In Situationen dieser Art sind komplementäre und alternative Behandlungskonzepte zur Ergänzung der westlichen Medizin besonders sinnvoll, welche die Betroffenen selbst anwenden können, um weiterem Schaden oder der Notwendigkeit eingreifenderer Maßnahmen entgegenzuwirken. Erschienen in: Yoga Aktuell 60 - 01/2010

Source: http://www.yokate.at/shop/data/container/Wechseljahre%20und%20Ayurveda.pdf

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