Microsoft word - sexuelle probleme des dialysepatienten_neu.doc

Sexuelle Probleme des Dialysepatienten
1. Problemstellung, Definition und Prävalenz
Störungen der männlichen Sexualfunktion lassen sich für klinische Zwecke einteilen
in solche der Libido, der kohabitativen Potenz (Erektionsschwäche, Ejakulations-
/Orgasmusstörungen) und der generativen Potenz oder Fertilität (s. Tab. 1).
Tab. 1

Störungen der männlichen Sexualfunktion
1. Störungen der Libido (mangelndes Verlangen nach sexuellen Kontakten) 2. Störungen der kohabitativen Potenz a) Erektionsschwäche = „erektile Dysfunktion“ (Impotentia coeundi) Schwierigkeit, die zum Geschlechtsverkehr (Kohabitation) notwendige Gliedsteife zu erreichen / aufrechtzuerhalten b) Ejakulationsstörungen Frühzeitiger (Ejaculatio präcox), subjektiv verzögerter (Ejaculatio retardata) c) Orgasmusstörungen Fehlender Orgasmus mit oder ohne fehlende Ejakulation 3. Störungen der generativen Potenz = Fertilitätsstörungen (Impotentia generandi) Erschwerte oder fehlende Zeugungsfähigkeit
Bei Dialysepatienten liegen häufig Libidostörungen vor. Diese sind offenbar bedingt
durch verminderte Testosteronproduktion, Anämie, Begleiterkrankungen sowie
psychosoziale Schwierigkeiten.
Auch ist die Fertilität der Dialysepatienten infolge verminderter Zahl und Beweglich-
keit der Spermien eingeschränkt.
Im Vordergrund der subjektiv erlebten und therapeutisch zugänglichen sexuellen
Probleme des männlichen Dialysepatienten steht jedoch die Erektionsschwäche, die
sog. „erektile Dysfunktion“.
Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie beschreibt die erektile
Dysfunktion
ein „chronisches Krankheitsbild von mindestens 6-monatiger Dauer, bei
M. Bundschu - 1 - AfnP Symposium Fulda 2003
dem mindestens 70% der Versuche, einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen,
erfolglos sind“.
Eine amerikanische epidemiologische Untersuchung (Massachusetts Male Aging
Study) an 1290 Männern zwischen 40 und 72 Jahren zeigte, dass sich zwischen 40
und 72 Jahren der Prozentsatz einer vollständigen erektilen Dysfunktion (ED) von 5%
auf 15% verdreifachte und der Prozentsatz einer mittelgradigen ED von 17% auf 34%
verdoppelte (Feldmann 1994; s. Abb. 1). Ätiologisch standen Diabetes mellitus
(40%), Gefäßerkrankungen (30%), radikale Prostatektomie (13%) und neurologische
Erkrankungen (11%) im Vordergrund. Nur 10% der betroffenen Männer hatten einen
Arzt aufgesucht. Die erektile Dysfunktion passt nicht in unsere heutige
Leistungsgesellschaft, in der Erfolg im Berufs- und Privatleben als selbstverständlich
gilt. Aber auch von Seiten des Arztes wird das Problem aus Zeit- und Kostengründen
häufig totgeschwiegen (Korenman 1990).
Bei Dialysepatienten ist die erektile Dysfunktion noch wesentlich häufiger als in der
Normalbevölkerung. Sie kommt nach jüngeren Literaturangaben abhängig vom Alter
und der Dauer der Niereninsuffizienz, jedoch unabhängig vom Behandlungs-
verfahren (HD oder PD) bei über 40-jährigen zwischen 60% und 90% vor (Steele
1996, Bommer 1998, Rosas 2001,Türk 2001).
2. Physiologie der Erektion
Das Sexualzentrum im Zwischenhirn kann durch visuelle, akustische, olfaktorische
Reize und erotische Phantasien sowie von peripher durch Stimulation der Genitalien
aktiviert werden. Angst und Depression wirken dort hemmend. Zentral beteiligte
Neurotransmitter sind insbesondere Dopamin, Serotonin und Oxytocin.
Die Erektion wird dann durch Impulse aus dem sakralen Parasympathicus
eingeleitet. Sie führen einerseits zur Abschwächung des Sympathikotonus
(Erweiterung der Blutgefäße durch Erschlaffung der glatten Gefäßmuskulatur), andererseits zur verstärkten Synthese von Stickstoffmonoxid (NO) im Gefäßendothel. NO bewirkt über den „second messenger“ cGMP eine weitere Relaxation der Penisgefäße und der Schwellkörpermuskulatur. Auch Prostaglandine, die in der Schwellkörpermuskulatur synthetisiert werden, haben über den „second messenger“ cAMP die gleiche Wirkung. Phosphodiesterasen bewirken den Abbau von cGMP und cAMP. (s. Abb. 2). Der Penis (s. Abb. 3) besteht im wesentlichen aus den beiden Schwellkörpern, den Corpora cavernosa, die von einer bindegewebigen Hülle, der Tunica albuginea umhüllt sind. Das sog. Trabekelsystem der Schwellkörper ist ein dreidimensionales blutdurchströmtes Netzwerk von Bindegewebe und glatten Muskelzellen. Durch Dilatation der Penisgefäße und Erschlaffung der glatten Muskelzellen im Trabekelsystem kommt es zunächst zur Volumenzunahme (Tumeszenz), danach durch Kompression der unter der Tunica albuginea gelegenen Venengeflechte (s. M. Bundschu - 2 - AfnP Symposium Fulda 2003
Abb. 4+5) zur Drucksteigerung im Trabekelsystem bis auf systolische Blutdruck-
werte mit Aufrichtung (Erektion) und Versteifung (Rigidität) des Penis. Die Rigidität
wird aufrechterhalten durch zusätzliche Kontraktion des Musculus ischiocavernosus,
die zu Druckwerten in den Corpora cavernosa bis 1000 mmHg führen kann.
Die Erschlaffung des Penis (Detumeszenz) wird durch erhöhten Sympathikotonus
vermittelt, der zur Kontraktion der zuführenden Blutgefäße und der glatten
Muskulatur des Trabekelsystems und in der Folge zur Dekompression der venösen
Gefäße und zum Blutabfluss führt.
3. Ursachen der erektilen Dysfunktion bei Dialysepatienten

Wegen der hohen Komplexität sowohl des menschlichen Sexualverhaltens als auch
der physiologischen Vorgänge im Penis können Erektionsstörungen eine Vielzahl
verschiedener Ursachen haben (s. Tab. 2).
Tab. 2

Ursachen der erektilen Dysfunktion bei Dialysepatienten
Hormonal:
Hypertonie, Rauchen, Diabetes, Hyperlipidämie, Ca x PO4 Antihypertensiva, Diuretika, Antidepressiva, H2-Blocker, NSAR Selbstwertgefühl, Partnerbeziehung, Versagensangst
3.1. Hormonal
Bei Dialysepatienten liegt eine komplexe Störung der hypothalamisch-hypophysär-
gonadalen Hormonachse vor. Die pulsatile Freisetzung von Gonadotropin-releasing-
Hormon (GnRH) im Hypothalamus ist vermindert, der Rückkoppelungsmechanismus
der erhöhten hypophysären Gonadotropine LH und FSH ist defekt (Bergandahl
1996), die gonadale Testosteronbildung ist im Sinne eines sekundären (milden)
Hypogonadismus reduziert, Hodengröße und Bartwuchs sind aber normal.
Möglicherweise ist für die Störungen ein hochmolekularer (30000-60000 Dalton)
zirkulierender LH-Rezeptor-Inhibitor mitverantwortlich (Dunkel 1997).
M. Bundschu - 3 - AfnP Symposium Fulda 2003
Bekannt ist, dass sowohl Malnutrition als Überernährung, Diabetes mellitus,
Hypertonie, trizyklische Antidepressiva und Benzodiazepine zu einem sek.
Hypogonadismus führen können (Schmidt 2001).
Zusätzlich ist die Prolaktin-Synthese auf bis zu etwa das dreifache vermehrt, ohne
dass dies wie beim Gesunden zu einem verminderten LH-Spiegel führt.
Zwischen der Höhe des Testosteron- und des Prolaktinspiegels und der
Sexualfunktion besteht im Einzelfall jedoch kein Zusammenhang. Eine
Androgentherapie wird eher die Libido als die Potenz verbessern und ist mit
Nebenwirkungen wie Akne, Ödemen, Schlaf-apnoe, Hyperlipoproteinämie und
Prostatawachstum incl. Wachstum von Mikrokarzinomen belastet. Die Hyper-
prolaktinämie kann mit Bromocriptin (Pravidel, Kirim) oder nebenwirkungsärmer
(Übelkeit, Erbrechen) mit Lisurid (Cuvalit, Dopergin) beseitigt werden, die
Auswirkungen auf die Sexualfunktion bleiben aber zweifelhaft (Ruilope 1985).
Erythropoetin verbessert ohne Zweifel die Sexualfunktion, ob dieser Effekt mit einer
Erhöhung der Testosteron- und/oder einer Senkung der Prolaktinspiegel einhergeht,
ist jedoch kontrovers (Lawrence 1997), vgl. 6.1.

3.2. Vaskulär
Klinisch findet man beim Dialysepatienten als häufigste Ursache von
Erektionsstörungen Gefäßveränderungen im Sinne einer Arteriosklerose (Kaufman
1994), die zu Durchblutungsstörungen im Beckenbereich führen. Bei Dialyse-
patienten treten arteriosklerotische Gefäßveränderungen früher und ausgeprägter als
bei der Normalbevölkerung auf. Neben den klassischen Risikofaktoren wie
Hypertonie, Rauchen (verdoppelt das Risiko, McVary 2001), Hyperlipoproteinämie
spielen hier auch ein erhöhtes Calcium-Phosphat-Produkt, das „urämische Milieu“
(Inflammationstheorie der Arteriosklerose) und möglicherweise in der Urämie
akkumulierende Substanzen wie assymmetrisches Dimethylarginin (ADMA) eine
Rolle.
3.3. Neurologisch
Die Schädigung der Nerven, die eine Relaxation der glatten Muskulatur im
Schwellkörper vermitteln, kann Erektionsstörungen verursachen. Typische Beispiele
sind die urämische und die diabetische autonome Polyneuropathie (mindestens 30%
der Dialysepatienten sind Diabetiker!), ferner die alkoholtoxische Polyneuropathie.
3.4. Medikamentös
Neben den Genussgiften Alkohol und Nikotin können viele Medikamente
Erektionsstörungen verursachen oder verstärken. Typische Beispiele sind unter den
Antihypertensiva die Betablocker und Clonidin, während ACE-Hemmer wie Losartan
sogar einen positiven Effekt haben sollen (Ferrario 2001, Rosas 2001). Auch
Diuretika (Thiazide) und zentral wirksame Substanzen (Opiate, Antidepressiva,
Tranqulizer) sowie Ulcustherapeutika (H2-Antagonisten), nicht-steroidale
M. Bundschu - 4 - AfnP Symposium Fulda 2003
Antirheumatica (NSAR) und Lipidsenker können einen negativen Effekt haben. Meist
ist die medikamentöse Komponente eher ein zusätzlicher Faktor, der vorbestehende
latente Erektionsstörungen manifest werden läßt, als der tatsächlich ursächliche
Faktor.
3.5. Psychisch
Während man bei der Allgemeinbevölkerung früher bis zu 90% psychische
Impotenzursachen vermutete, ist heute allgemein anerkannt, daß in etwa 80% der
Fälle die erektile Dysfunktion auf organische Ursachen zurückzuführen ist (Hauri
1998). Allerdings erkennen sowohl Urologen als auch Psychiater die Wechselwirkung
zwischen Psyche und Soma an.
Gerade bei Dialysepatienten liegt fast immer eine häufig unterschätzte psychische
Komponente bei der erektilen Dysfunktion vor. Das Bewußtsein, an einer schweren,
chronischen und prinzipiell lebensbedrohlichen Erkrankung zu leiden, Sorge um den
Arbeitsplatz und die Rolle als (Mit-)Ernährer der Familie, die Abhängigkeit von einer
Maschine und bei der Zentrumsdialyse auch von medizinischen Betreuern belasten
das Selbstwertgefühl, was sich störend auf die Partnerbeziehung auch im sexuellen
Bereich auswirken kann. Viele Dialysepatienten versuchen, diese ganz natürlichen
Sorgen und Ängste zu überspielen, anstatt darüber mit der Partnerin zu reden,
wodurch sich ein psychischer Belastungszustand einstellt, der Sexualstörungen
begünstigt. Hinzu kommt bei erektiler Dysfunktion häufig eine negative
Erwartungshaltung, d.h. die Angst, sexuell wieder zu „versagen“.
Für eine überwiegend psychische Ursache („funktionelle Impotenz“) spricht das Auf-
treten normaler Erektionen bei Masturbation (Partnerprobleme?), während im
Gegensatz zu früherer Lehrmeinung spontane nächtliche Erektionen eine
körperliche Ursache der erektilen Dysfunktion nicht ausschließen.
4. Diagnostik

Grundlagen der Diagnostik sind die Erhebung der Sexualanamnese und die
körperliche Untersuchung, die zusammen mit 95% Sensitivität eine Sexualstörung
aufdecken (Davis-Joseph 1995), jedoch deren Ursache nur mit 50% Spezifität
erkennen lassen, so dass zusätzliche diagnostische Tests erforderlich werden
können (s. Tab. 3).
Diese werden bei Dialysepatienten - abgesehen von wissenschaftlichen
Fragestellungen - in der Regel heute nur noch dann durchgeführt, wenn ein
Therapieversuch mit Sildenafil (Viagra) erfolglos ist und die Möglichkeit einer
Penisprothese (s.u.) zur Diskussion steht.
M. Bundschu - 5 - AfnP Symposium Fulda 2003
Tab. 3

Diagnostik von Sexualstörungen
1. Sexualanamnese:
Geschwindigkeit der Entwicklung, Risikofaktoren, Medikamente, Auftreten nächtlicher spontaner Erektionen, situatives (Stress) und partnerabhängiges Erektionsverhalten Pulsstatus, Gynäkomastie, Penisabnormalitäten, Hodengröße, Cremasterreflex Testosteron, Prolaktin, Schilddrüsenfunktion 4. NPT-Test (Nächtliche penile Tumeszenz), WEA-Test (Waking erectile 5. SKIT (Schwellkörper-Injektionstest) mit Duplex-Sonographie 4. Gefäßdarstellung Für wissenschaftliche Untersuchungen gibt es standardisierte Fragebögen zur Sexualanamnese, z.B. den Internationalen Index der erektilen Funktion (IIEF, Rosen 1997). Das plötzliche Auftreten von Erektionsstörungen weist (abgesehen von Trauma oder Prostatektomie) auf eine psychische Ursache oder einen Partnerkonflikt hin. Der Cremasterreflex (Scrotumkontraktion bei Berührungsreiz an der Innenseite der Oberschenkel) prüft die Intaktheit des Erektionszentrums im thorakolumbaren Rückenmark. Der NPT-Test = Nächtlicher Peniler Tumeszenz-Test (Rigiscan-Monitor) ermöglicht die häusliche Echtzeit-Aufzeichnung der Tumeszenz und Rigidität spontaner nächtlicher Erektionen. Fehlen diese weitgehend, liegt eine organische Ursache vor. Die Schlußfolgerung, dass normale nächtliche Erektionen eine psychogene Verursachung beweisen, ist jedoch nicht haltbar. Beim WEA-Test = Waking Erectile Assessment-Test werden Erektionen im Wachzustand unter optischer (Video) und taktiler (Vibrator) Stimulation monitorisiert. Dieser Test kann auch zur Evaluierung von Medikamenteneffekten eingesetzt werden. M. Bundschu - 6 - AfnP Symposium Fulda 2003
Der SKIT = Schwellkörper-Injektionstest simuliert mittels Injektion vasoaktiver
Substanzen wie Prostaglandin E1 in die Schwellkörper eine normale Erektion. Tritt
eine solche auf, liegt eine psychogen, neurogen oder hormonal bedingte Dysfunktion
vor. Eine vollständige, aber nur kurz anhaltende Erektion spricht für eine venös-
okklusive Dysfunktion („venöses Leck“).
Eine schwache, aber anhaltende Erektion weist auf arterielle Durchblutungs-
störungen hin.
Weitergehende invasive Untersuchungen wie Angiographie kommen nur in Einzel-
fällen, die möglicherweise Vaskularisationsoperationen zugänglich sein könnten, zur
Anwendung.
5. Therapie der erektilen Dysfunktion beim Dialysepatienten

Bei den Möglichkeiten der Therapie einer erektilen Dysfunktion des Dialysepatienten
kann man zwischen Basismassnahmen, konventioneller medikamentöser Therapie,
intracavernöser bzw. intraurethraler Applikation von Prostaglandin E1 (SKAT /
MUSE), mechanischen Hilfsmitteln (Vakuumpumpe) und operativen Verfahren
(Penisprothese, Vaskularisationsoperationen) unterscheiden.

5.1. Allgemeine Massnahmen
Zunächst sollte die Dialysedosis überprüft und falls erforderlich gesteigert werden
(Harnstoff-Reduktions-Ratio über 65%, KT/V über 1,2).
Medikamente, die eine erektile Dysfunktion verstärken können (s. 3.4), sollten falls
möglich ausgetauscht werden.
Die renale Anämie sollte ausreichend behandelt werden (Hb 11-12 g%), da
Erythropoetin nicht nur die Hormonspiegel von Testosteron, LH, FSH und Prolaktin in
Richtung Normalbereich verändern soll (Kokot 1990, Schaefer 1989; vgl. aber 3.1.),
sondern auch Wohlbefinden und sexuelle Leistungsfähigkeit verbessert (Evans
1990).
Zu den allgemeinen Massnahmen zählt auch das Gespräch mit einem Arzt oder
Psychologen, ggf. unter Einbeziehung der Partnerin. Hierbei geht es darum,
Leistungsdruck und Versagensangst abzubauen.
5.2. Medikamentöse Behandlung
5.2.1. Sog. „Aphrodisiaka“
Eine Vielzahl von angeblich lust- und potenzfördernden Substanzen ist dem
Volksmund
bekannt und in rezeptfreien Präparaten erhältlich. Als Beispiele seien Austern-
Extrakte, Ginsengwurzel, Hodenextrakte und Spanische Fliege (Kantharidin in
M. Bundschu - 7 - AfnP Symposium Fulda 2003
homöopathischer Verdünnung) genannt. Sie alle haben eine mögliche psycho-
logische Wirkung, helfen jedoch bei organisch bedingter erektiler Dysfunktion nicht.
Dies gilt auch für Alkohol, der in geringen Mengen genossen zwar psychologische
Hemmschwellen abbauen kann, aber den sexuellen Vollzug eher behindert („Wein
erhöht das Verlangen, erschwert aber das Vollenden“. Ovid).
5.2.2. Umstrittene Medikamente
Yohimbin (Pluriviron mono, Yohimbin Spiegel, Yocon-Glenwood)ist ein Alpha-
Rezeptorenblocker, der gegen Versagens- oder Erwartungsangst versucht werden
kann. Die Wirksamkeit ist in einer Metaanalyse (Ernst 1998) für diese Indikation
nachgewiesen. Eine organisch bedingte erektile Dysfunktion wird nicht beeinflußt. Als
Nebenwirkungen sind innere Unruhe, Steigerung von Blutdruck und Herzfrequenz
sowie Übelkeit beschrieben.
Zink (Nefro-Zink u. orale Präparate) kommt bei nachgewiesenem Zinkmangel als
Supplement zur Dialysierlösung in Frage. Die Literatur zur Wirkung bei erektiler
Dysfunktion ist kontrovers, wenn auch Testosteronspiegel und Spermienzahl
ansteigen sollen (Mahajan 1982).
Testosteron (Testoviron-Depot, Testoderm-Pflaster, Andriol) kann bei
Dialysepatienten angewendet werden, die einen sehr niedrigen Testosteronspiegel
aufweisen und primär an verminderter Libido leiden. Die erektile Dysfunktion wird in
der Regel nicht beeinflusst (Lawrence 1998). Zu den Nebenwirkungen s. 3.1.
Dopamin-Agonisten zur Senkung des Prolaktinspiegels vgl. 3.1.
5.2.3. Sildenafil (Viagra)
Sildenafil (Fa. Pfizer) ist ein Phosphodiesterase-Hemmer, der den Abbau des
„second messengers“ cGMP hemmt und dadurch die Relaxation der Penisgefäße
und Schwellkörpermuskulatur verstärkt und verlängert (vgl. 2.). Inzwischen liegen
auch bei Dialysepatienten Studien vor, die eine gute Wirksamkeit von 60% bei
erektiler Dysfunktion zeigen (Paul 1998, Chen 2001, Rosas 2001, Türk 2001).
Verträglichkeit und Pharmakokinetik scheinen gegenüber Normalpersonen nicht
verändert.
Sildenafil soll auf nüchternen Magen etwa 1 Stunde vor geplanter sexueller Aktivität
eingenommen werden. Es hat keinen Einfluß auf die Libido, so dass es ohne
zusätzliche sexuelle Stimulation unwirksam bleibt. Die Wirkung hält 3-4 Stunden an.
Als Neben-wirkungen sind vor allem Kopfschmerzen (16%), Flush (10%), erhöhte
Lichtempfindlichkeit mit Blausehen (3%) und Blutdrucksenkung zu beobachten. Es
wurde empfohlen, die Einnahme auf Nichtdialyse-Tage zu beschränken (Mohamed
2000).
Kontraindiziert ist Sildenafil bei gleichzeitiger Einnahme von Nitraten und anderen
NO-Donatoren (Molsidomin) sowie bei Retinitis pigmentosa. Zu beachten ist, dass
M. Bundschu - 8 - AfnP Symposium Fulda 2003
ein Sexualakt beim Ungeübten eine erhebliche physische und - vor allem ausserhalb
der Partnerbeziehung - psychische Anstrengung bedeuten kann, was möglicher-
weise einen Teil der 700 gemeldeten Todesfälle nach Sildenafil-Einnahme erklärt.
Sildenafil kann heute als probatorisch indizierte Therapie bei erektiler Dysfunktion
des Dialysepatienten angesehen werden. Ist sie unwirksam, bestehen wahrscheinlich
erhebliche vaskuläre Veränderungen, die eine diagnostische Abklärung (vgl. unter
4.) erforderlich machen.
Sildenafil-Therapie ist in der Regel keine Kassenleistung, 12 Tabletten zu 100mg
(Regeldosis 50 mg) kosten ca. 160 Euro.
Weitere Phosphodiesterase-Hemmer stehen kurz vor der Zulassung:
Tadalafil (Cialis); Fa. Lilly/Icos) hat eine besonders lange Halbwertszeit
(„Potenzpille fürs Wochenende“). Bei Dialysepatienten liegen keine Erfahrungen vor.
Vardenafil (Nuviva; Fa. Bayer) ist bisher ebenfalls nicht an Dialysepatienten
angewendet worden. Es kann niedrig dosiert werden (20 mg Regeldosis) und wirkt
bereits nach 20 Minuten.
5.2.4. Apomorphin (Ixense, Uprima)
Apomorphin ist seit 2001 als Medikament zur Behandlung der erektilen Dysfunktion
zugelassen und wird von den Firmen Takeda (Ixense) und Abbott (Uprima) in
Deutschland vertrieben.
Es handelt sich um einen zentral wirksamen Dopamin2-Rezeptor-Agonisten, der eine
nahezu physiologische Erektion stimulieren soll (s. Abb.4). Wie durch Sildenafil wird
die Libido nicht beeinflußt.
Apomorphin wird sublingual angewendet, um den „first pass“-Effekt (Abbau) in der
Leber zu umgehen. Die Wirkung setzt schon nach 20 Minuten ein. Mit der
zugelassenen Dosis von 2-3 mg liegt die Erfolgsrate niedriger als bei Sildenafil.
Nitrat-Therapie ist aber keine Kontraindikation, da eine Blutdrucksenkung in der
Regel nicht auftritt. Hauptnebenwirkung ist Übelkeit. Bei Dialysepatienten liegen
bisher keine Erfahrungen vor.

5.3. Lokale Applikation von Alprostadil (SKAT / MUSE
)
Bei der Schwellkörper-Autoinjektions-Therape (SKAT) wird vom Patienten mit einer
Insulinspritze eine vasoaktive Substanz direkt in den Schwellkörper injiziert. Heute
wird hierfür Prostaglandin E1 (Alprostadil) verwendet, das gegenüber den früheren
Misch-präparaten aus Papaverin und Phentolamin mit einer geringeren
Nebenwirkungsrate (prolongierte Erektion = Priapismus) belastet ist. Zugelassen sind
derzeit hierfür Caverject, Fa. Pharmacia und Viridal, Fa. Hoyer-Madaus.
Die SKAT ist die älteste und die wirksamste Methode zur Behandlung der erektilen
Dysfunktion (Erfolgsrate über 70%). Die Wirkung setzt bereits nach 5-10 Minuten ein.
Voraussetzung ist ein kooperationsfähiger Patient und ein ständig erreichbarer
Therapeut, da bei prolongierter Erektion (über 6 Stunden) medikamentöse
M. Bundschu - 9 - AfnP Symposium Fulda 2003
(Sympathikomimetika), lokale (Blutabsaugung) oder sogar operative Masssnahmen
nötig werden. Nach längerer Anwendung kann es zu Fibrosen im Penis kommen.
Seit 1999 ist auch die intraurethrale Applikation von Alprostadil in Deutschland
zugelassen.
Das MUSE = Medikamentöses Urethrales System zur Erektion der Fa. Astra hat
eine Erfolgsquote von bis zu 65% bei geringer Rate an Priapismen und Fibrosen.
Hauptnebenwir-kungen sind lokale Schmerzen (bis 35%), Mikrohämaturie (5%),
Infektionen und Hypotonie.
5.4. Mechanische Hilfsmittel (Vakuumpumpe)
Die Anwendung von Vakuum-Erektionshilfen ist wenig aufwendig und nur selten von
lokalen Nebenwirkungen (Schmerz, Taubheitsgefühl, Petechien, blockierte
Ejakulation) begleitet. Der Penis wird bei dieser Methode passiv durch Unterdruck
gedehnt, die erreichte Erektion wird mit Hilfe eines Gummirings an der Peniswurzel
durch Blockade des venösen Abstroms bis zu 30 Minuten gehalten.
Vorteil der Methode, die in 70% zum Erfolg führt, ist das Fehlen von schweren
Neben-wirkungen. Die Vakkumpumpe stellt bei ärztlicher Indikation eine
Kassenleistung dar.
5.5. Operative Verfahren
Bei Patienten, die mit allen oben genannten Verfahren nicht erfolgreich therapiert
werden können, liegen in der Regel schwerste vaskuläre Veränderungen vor.
Die in diesen Fällen zu diskutierenden chirurgischen Gefäßoperationen erfordern
eingehende individuelle Diagnostik und sind in der Langzeit-Erfolgsrate nicht
eindeutig zu beurteilen. In Frage können kommen arterielle Revaskularisierungs-
eingriffe und venöse Sperroperationen.
Alternative ist die Implantation von Penisprothesen in beide corpora cavernosa mit
damit verbundener irreversibler Zerstörung des Schwellkörpergewebes. In den USA
werden jährlich etwa 25000 Penisprothesen implantiert. Hauptsächlich werden heute
semirigide und hydraulische Prothesen verwendet. Bei der semirigiden
Penisprothese kann durch einen in den Silikonkörper eingelassenen Silberdraht das
Penisimplantat bei Bedarf aufgerichtet werden, im Normalzustand ist es nach unten
weggeklappt. Bei der hydraulischen Penisprothese wird durch manuelle Kompression
einer im Hodensack untergebrachten Pumpe Flüssigkeit aus dem im Unterbauch
implantierten Reservoir in die beiden implantierten Peniszylinder gepumpt, wodurch
sich diese vergrößern und versteifen. Nach Gebrauch wird die Flüssigkeit durch
einen Ventilmechanismus wieder zurückgeführt.
Vorteil der hydraulischen Prothese ist die mechanisch gesehen nahezu
physiologische Erektion. Die Primärzufriedenheit der Patienten soll bei 80% liegen.
Komplikationen (mechanische Defekte, Infektionen) führen aber zu einer
Reoperationsrate von 14%.
M. Bundschu - 10 - AfnP Symposium Fulda 2003

Zusammenfassung und Ausblick
Bei der erektilen Dysfunktion der Dialysepatienten handelt es sich nicht um ein „life-
style“-Thema, sondern um eine multikausale Erkrankung, welche die Lebensqualität
der Patienten deutlich verschlechtert. In den letzten Jahren ist durch die Entwicklung
neuer Medikamente die Mehrzahl der Patienten erfolgreich therapierbar geworden.
Die Zukunft wird neben neuen Formulierungen bekannter Substanzen (Apomorphin-
Nasalspray, topisches Alprostadil) auch neuartige Therapieprinzipien bringen, die im
Tierexperiment bereits erfolgreich getestet worden sind. Hierzu gehören Oxytocin
und Melanotropin, die das Sexualverhalten allgemein stimulieren (letzteres als „PT
141“ auch bei Frauen wirksam). Grosse Hoffnungen erwecken schließlich Inhibitoren
der Proteinkinase C, eines bei Hyperglykämie verstärkt ausgeschütteten Faktors,
der über die Aktivierung von Endothelin 1, einem der stärksten Vasokonstriktoren,
zur langfristigen Gefäßschädigung in allen Gefäßprovinzen (auch in den Corpora
cavernosa) führt.


M. Bundschu - 11 - AfnP Symposium Fulda 2003
Literatur

Bergandahl M. et al.: Current concepts on ultradian rhythms of luteinizing hormone
secretion in the human. Hum. Reprod. Update 1996; 2: 507-518
Bommer J.: Sexual disorders. In: Davidson A.M. et.al.: Oxford textbook of clinical
nephrology Vol.3, 1866-1885. Oxford University Press, Oxford 1998
Chen J. et al.: Clinical efficacy of sildenafil in patients on chronic dialysis. J.Urol.
2001;165: 819-821
Dunkel L. et al.: Circulating luteinizing hormone receptor inhibitor(s) in boys with
chronic renal failure. Kidney Int. 1997; 47(4): 379-403
Ernst E., Pittler M.H.: Yohimbine for erectile dysfunction: a systematic review and
meta-analysis of randomized clinical trials. J.Urol. 1998; 159: 433-436
Evans R.W. et al.: The quality of life of hemodialysis recipients treated with
recombinant human erythropoetin. JAMA 1990; 263: 825-830
Feldmann H.A. et al.: Impotence and its medical and psychosocial correlates: results
of the Massachusetts Male Aging Study. J.Urol. 1994; 151: 54-61
Ferrario C.M. et al.: Losartan improves sexual function in hypertensive men with
erectile dysfunction. Am.J.Med.Sci. 2001; 321: 336-341
Hauri D.: Organische Gründe einer erektilen Impotenz – Abklärungs- und
Behandlungs-möglichkeiten. Therapeutische Umschau 1998; 6: 345-351
Kaufman J.M. et al.: Impotence and chronic renal failure. A study of the
hemodynamic pathophysiology. J.Urol. 1994; 151: 612-618
Kokot F. et al.: Influence of erythropoetin on follitropin and lutropin response to
luliberin and plasma testosterone levels in haemodialyzed patients. Nephron 1990;
56: 126-129
Lawrence I.G. et al.: Correcting impotence in the male dialysis patient: Experience
with testosterone replacement and vacuum tumescence therapy. Am.J.Kidney Dis.
1998;31: 313-319
Lawrence I.G. et al.: Erythropoetin and sexual dysfunction. Nephrol. Dial. Transplant.
1997; 12: 741-747
Mahajan S.K. et al.: Effect of oral zinc therapy on gonadal function in hemodialysis
patients. A double-blind study. Ann.Intern.Med. 1982; 97: 357
McVary K.T. et al.: Smoking and erectile dysfunction: evidence based analysis.
J.Urol. 2001; 166: 1624-1632
Mohamed E.A.: Timing of sildenafil therapy in dialysis patients – lesson following an
episode of hypotension. Nephrol.Dial.Transplant. 2000; 15: 926-927
Paul H.R. et al.: Initial experience with the sildenafil for erectile dysfunction in
maintenance dialysis (MD) patients. J.Am.Soc.Nephrol. 1998;9(9): 222A
Rosas S.E. et al.: Preliminary observations of sildenafil treatment for erectile
dysfunction in dialysis patients. Am.J.Kidney Dis. 2001;37: 134-137
M. Bundschu - 12 - AfnP Symposium Fulda 2003
Rosas S.E.: Prevalence and determinants of erectile dysfunction in hemodialysis
patients. Kidney Int. 2001; 59: 2259-2266
Rosen R.C. et al.: The International Index of Erectile Funktion (IIEF). Urology 1997;
49(6): 822-830
Ruilope L. et al.: Influence of lisuride, a dopaminergic agonist, on the sexual function
of male patients with chronic renal failure. Am.J.Kidney Dis. 1985;5: 182
Schaefer R.M. et al.: Improved sexual function in hemodialysis patients on
recombinant erythropoetin: a possible role for prolactin. Clin.Nephrol. 1989; 31: 1-5
Schmidt A.: Männliche Hormone bei chronischer Niereninsuffizienz. Spektrum der
Nephrologie 2001; 14(4): 12-18
Steele T.E. et al.: Sexual experience of the chronic peritoneal dialysis patients.
J.Am.Soc. Nephrol. 1996; 7: 1165-1168
Türk S. et al.: Erectile dysfunction and the effects of sildenafil treatment in patients
on haemodialysis and continuous ambulatory peritoneal dialysis.
Nephrol.Dial.Transplant.
2001;16: 1818-1822
M. Bundschu - 13 - AfnP Symposium Fulda 2003

Source: http://www.afnp.de/symposien/2003/Sex.pdf

garityadvantage.com

Guarantee Trust Life Lump Sum Cancer/Heart Attack and Stroke1. Each person must be a U.S. citizen or hold a “green card” (permanent resident of US). 2. The agent must be health licensed and use the state approved application in the state where the applicant 3. If both spouses’ apply for coverage, each person must answer the questions and sign the application. 4. If power of attorney is u

120295.qxd

S.K. Naess · J.M. Bradeen · S.M. Wielgus G.T. Haberlach · J.M. McGrath · J.P. Helgeson Resistance to late blight in Solanum bulbocastanum is mappedto chromosome 8Received: 26 November 1999 / Accepted: 22 December 1999 Abstract Somatic hybrids between potato and Solanum There are several sources of late blight resistance bulbocastanum , a wild diploid (2n=2x=24) Mexican spe-available

Copyright © 2011-2018 Health Abstracts